Freitag, 05.07.13: Halbzeit. Eins ist klar, als uns der Sarek zum alltäglichen Müsli-Frühstück ein freundliches Morgenwetter beschert: Der heutige Tag wird entweder sehr kurz oder sehr lang. Wie wir im Laufe des Tages merken sollten, gibt es
auch noch eine dritte Möglichkeit. Den als matschig und mückenverseucht
beschriebenen Abschnitt im Rapasalet haben wir bereits bei den
Reisevorbereitungen "grüne Hölle" getauft.
Der friedliche Sarek: Morgenstimmung am Hang zum Snavvavagge. |
Erst mal starten wir aber mit einem Rekord.
Kurz bevor das Frühstück beendet ist, bewölkt sich der Himmel wieder und Regen wird immer wahrscheinlicher. Unter dem Eindruck der letzten Tage gelingt es uns, das Zelt in Windeseile abzubauen. Die genaue Zeit ist nicht überliefert, aber wir funktionieren wie ein Uhrwerk. Jeder Handgriff sitzt und innerhalb von fünf Minuten ist das Zelt trocken verpackt im Rucksack. Gerade bevor die ersten Tropfen fallen, bei denen es vorerst aber auch bleibt.
Da das Snavvavagge mittlerweile in Wolken gehüllt ist, setzen wir lieber gleich auf Regenkleidung. Auch, weil ein möglicher Wolkenbruch das Weidengestrüpp so sehr tränken würde, dass es jede Menge Wasser bereitwillig an vorbeistreichende Trekker abgäbe.
"Weidengestrüpp" ist dann auch das Stichwort für den weiteren Aufstieg zum Hochtal, der sich tatsächlich als fortgesetztes Auf-und-ab entpuppt. Schnell wird noch einmal klar, dass der Zeltplatz gestern genau zur richtigen Zeit gekommen ist. Hätten wir den nun anstehenden Abschnitt erschöpft wie wir waren noch am Vortag bewältigen wollen - kaum vorstellbar.
Verflogen: Die gute Aufbruchslaune weicht ein paar Meter nach dem Start wieder der Konzentration. |
Tiefpunkt: Nach der Unterquerung der Felswand links geht es wieder bergauf. |
Fels und Gestrüpp im Wechsel: Der Zugang zum Hochtal rückt langsam näher, die Vegetation geht zurück. |
Blick zurück: Links von der Bildmitte der Vorsprung, auf dem wir gezeltet haben. |
Handarbeit: Das letzte Stück vor dem Sattel zum Hochtal ist nicht lang, aber steil. |
Geschafft: Nach dem steilsten Stück wird es schnell ebener, erste Steinmandl weisen den Weg. |
Die letzten Meter zur Schwelle ins Snavvavagge, hinten der Laddebakte. |
Auf dem Weg zum Bergsee Snavvajavvre. |
Wenig einladend: An diesem Tag präsentiert sich das Snavvavagge mit dem Snavvajavvre trostlos. |
Als wir uns dem südöstlichen Ende des Hochtals nähern, bläst der Wind ungemütlich kalt und nass über den Sattel vom Rapasalet her hinein und wir suchen hinter einem großen Findling in der Nähe einer Zeltwiese Schutz. Was also tun? Jetzt schon zelten im unfreundlichen Snavvavagge? Es ist erst zwölf Uhr mittags, wir sind gerade zweieinhalb Stunden unterwegs. Oder doch weitergehen, absteigen und eine weitere Ochsentour bis zum Lulep Vássjájågåsj in Kauf nehmen?
Nass sind wir schon, und wenn wir das Zelt aufbauen ist es das auch. Außerdem: Was sollen wir mit dem Rest des Tages im Hochtal anfangen, wo wir doch eigentlich noch weiter kommen müssten, wegen der knappen Zeit? Vielleicht bietet sich ja auf dem Weg ins Rapasalet, dem Vorhof des weitläufigen Rapadalen, noch eine Zeltmöglichkeit und das Wetter wird in der Zeit besser. Also weitergehen.
Tristesse auch am südöstlichen Ende des Snavvajavvre: In der Bildmitte die Zeltwiese. |
Verglichen mit dem langen Aufstieg gestaltet sich der Abstieg auf dieser Seite leicht. Es geht das erste Stück richtig steil bergab und außer kleinen Felsbrocken und Gras ist nichts im Weg. Wären die Steine trocken und der Starkregen woanders, wäre alles noch viel einfacher und die Aussicht wunderbar. Aber auch so sind wir froh, uns nicht wieder im Weidengestrüpp verfangen zu müssen. Je tiefer wir kommen, desto mehr gewinnt das Gras die Oberhand und schließlich laufen wir auf einem gut sichtbaren, gefluteten Pfad über einen Wiesenhang auf die erste Furt des Tages zu: den Jilajahka.
Steil, aber wenig bewachsen: Der Abstieg vom Snavvavagge Richtung Rapasalet. |
Im Regenschleier: Abstieg zum Jilajahka, dahinter das Rapasalet. |
Langsam aber stetig lässt der Regen nach und die Sicht wird besser. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass wir uns aus der Wolkendecke herausarbeiten. Oder damit, dass wir wieder einmal furten dürfen. Jedenfalls endet der Regen, während wir von unten nass werden. Der Jilajahka ist trotz des ergiebigen Gusses klar, laut und schnell, aber nicht übermäßig tief. Fast ist es schwieriger, in die feuchte Schlucht hinab und auf der anderen Seite wieder hinauf zu steigen.
Danach geht es zunächst direkt am Ufer auf gut ausgetretenem Pfad bergab Richtung Baumgrenze. Auf diesem Stück zweigen immer wieder deutliche Pfade nach links (Osten) ab. Diese führen zu Zeltplätzen. Ich bin jeden einzelnen bis zum Ende abgelaufen, aber dazu gleich mehr.
Der richtige Pfad führt immer weiter bergab, geradewegs in den lichten Birkenwald hinein. Dabei entfernt sich der Jilajahka zu unserer Rechten immer weiter.
Kurz vor der Baumgrenze: Pfade wie dieser führen zu Zeltplätzen weiter links. |
Der Pfad hinab zum Rapasalet, kurz unterhalb der Baumgrenze. |
Etliche Höhenmeter später stehen wir wenige Meter vom Wasser des Rahpaädno entfernt ratlos im Busch.
Nach rechts (Westen) verläuft ein ziemlich verwachsener Pfad in Richtung Jilajahka, dessen Rauschen wir nun wieder gut hören. Dort müsste sich auch irgendwo die verschlossene Skarki-Hütte befinden. Links von uns ist nur hüfthohes Gras zu sehen, das in Schilf übergeht. Das wäre aber unsere Richtung, nur stehen wir hier praktisch schon im Fluss.
Also setze ich den Rucksack ab und folge zunächst der Spur Richtung Jilajahka/vermuteter Skarki-Hütte. Ich habe die Hoffnung, dass von dort aus ein Pfad Richtung Osten führt, den wir übersehen haben. Nachdem ich einen kleinen Bach übersprungen und mehrere von Menschenhand quer gelegte Äste überstiegen habe, verliert sich die Spur im dichten Bewuchs. So verwachsen und wenig begangen kann der Pfad doch nicht sein, denke ich. Immerhin handelt es sich bei der Skarki-Hütte um eine verzeichnete, von anderen Trekkern unschwierig gefundene, Wegmarke. Ich drehe um.
Inzwischen hat Marc etwas im hohen Gras Richtung Osten - unserer Richtung - entdeckt, was weniger ist, als eine Spur. Hier könnte sich vor zwei Tagen auch eine Elchkuh durchs Gestrüpp zum Wasser geschoben haben. Die Zweifel auf dem richtigen Weg zu sein sind inzwischen so groß, dass wir beschließen wieder zur Baumgrenze aufzusteigen und dort die deutlicheren Pfade nach Osten zu untersuchen.
Eineinhalb Stunden kostet uns der Ausflug in die grüne Hölle.
Wieder an der Baumgrenze angelangt, zeigt ein Abgleich aus der Vogelperspektive zwischen der Karte und den Teichen entlang des Hauptstroms, dass wir prinzipiell an der richtigen Stelle auf den Rahpaädno gestoßen sind. Nur die Darstellung, dass sich der Weg oberhalb der Baumgrenze so schnell vom Jilajahka löst, entspricht nicht der Gegebenheit.
Nochmal auf Verdacht absteigen will keiner und so teilen wir uns auf. Ich laufe die Pfade der Reihe nach ab - bis zurück zur Furtstelle. Alle enden in einem Zeltplatz, meistens mit Feuerstelle. Wer hier also campen möchte, folgt am besten einem dieser Pfade. Die Aussicht ist gerade bei den oberen absolut lohnend und jeder Meter über der Baumgrenze verspricht mehr Wind und weniger Mücken. Dort finde ich auch ein schönes Plätzchen, das ich für uns bereits gedanklich ins Auge fasse.
Nach dem Rapasalet-Ausflug: Schöne Aussicht und schöne Erschöpfung. |
Ich habe bemerkt, dass die Ungewissheit über den weiteren Verlauf meine Mitreisenden frustriert. Nach der langen Tagesetappe vom Vortag verstärkt der Abstecher zum Rapasalet auch die körperliche Erschöpfung, was wiederum auf die Psyche durchschlägt. Ich bin vielleicht ehrgeizig, aber nicht bar jeden Empathievermögens. Dankbar wird mein Vorschlag angenommen, das Zelt aufzuschlagen. Am nächsten Tag wollen wir ausgeruht noch einmal absteigen und uns zur Not durchschlagen, bis wir auf den Pfad treffen.
Zeltplatz unweit des Jilajahka, hinten der Sattel zum Hochtal Snarvavagge. |
Es klart auf: Am Abend gewährt das Rapasalet tiefe Einblicke. |
Feierabend: Für heute haben die Stiefel ihren Zweck erfüllt. |
Erkenntnisse des Tages:
1. Der Aufstieg ins Snavvavagge aus Richtung Skarja ist zäh, aber zu bewältigen. Im arktischen Frühjahr oder Spätherbst vermutlich leichter, wenn die Vegetation weniger ausgeprägt ist.
2. Der kahle Abstieg Richtung Rapasalet ist vergleichsweise unschwierig. Aus der Gegenrichtung hat man es hier mit einem deutlich steileren Anstieg zu tun -> Trekkingstöcke empfehlenswert für beide Richtungen.
3. Die Durchquerung des Hochtals Snavvavagge ist der einfache Part zwischen Auf- und Abstieg (wer hätte es gedacht), die Orientierung ist einfach.
4. Wasser zu filtern hat sich für uns als überflüssig erwiesen, seit wir den Padjelantaleden verlassen haben. Dort hatten wir Wasser unterhalb einer Sumpfwiese entnommen.
5. Trust your instincts. Really.
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