Bis wir in Skarja eintreffen, haben wir nur die flachen, verzweigten Bacharme des Boajsajagasj zu furten und zwei Blockfelder zu überqueren. Die Steine sind groß und trocken und einmal mehr bewähren sich die Schneeteller an den Trekkingstöcken: Durch die breite Auflagefläche verschwinden sie nicht in den Ritzen zwischen den Blöcken und geben zusätzliche Stabilität.
Einfache Furt: Im Sonnenschein durch die flachen Arme des Boajsajagasj. |
Bei gutem Wetter leicht zu überwinden: Blockfeld nach dem Boajsajagasj auf dem Weg nach Skarja. |
Mit einem großen Schritt spart man sich die Furt durch den auf der Karte namenlosen Bach, der kurz vor Skarja in den Smajllajahka mündet. |
Ankunft bei Skarja: Vorne das Plumpsklo, hinten die Schutzhütte mit Notfall-Telefon. |
Diese Tür haben wir nicht geöffnet. |
Blick in die Schutzhütte: Gleich vorne rechts ist das Telefon - und die Hausbar. |
Kartenmaterial, ein paar Müsliriegel und rechts eine Menge zumeist leerer Schnapsflaschen. |
Leere Gaskartuschen und Glasflaschen lassen vermuten, dass nicht jeder Trekker des Englischen mächtig ist. |
Wie erwartet: Die Brücke über den Smajllajahka ist für den Sommer eingeflogen worden. |
Ja, die Brücke ist da. Und so setzen wir unseren Weg Richtung Bielatjahkka fort. Die ersten Meter sind noch einfach zu gehen, dann wird es im kniehohen Weidengestrüpp sumpfig und der Pfad immer schwieriger zu verfolgen. Wer geradewegs durch die Schlammlöcher läuft, hat vermutlich bessere Chancen, auf der richtigen Spur zu bleiben. Wir umgehen sie und laufen bald auf Wildspuren, die in die gleiche Richtung führen und auf denen man weniger tief einsinkt. Auf halber Strecke zum Mahtujagasj treffen wir wieder auf den nun wieder deutlicheren Hauptpfad.
Der Mahtujagasj ist kein besonders breiter, aber an diesem Tag sehr schnell fließender und relativ tiefer Fluss. Ein paar Meter unterhalb des Pfades ist es möglich, mit einem Sprung über einen kleinen Wasserfall trocken auf die andere Seite zu kommen. Die Entfernung von etwa eineinhalb Metern zwischen den Ufern an dieser Stelle ist nicht so sehr das Problem. Die Schwierigkeit besteht darin, auf einem schrägen, vom Wasser glitschigen Stein zu landen - und stehen zu bleiben.
Um Daniela den Sprung etwas zu erleichtern, springe ich erst mit meinem Rucksack, dann zurück, und dann noch einmal mit ihrem. Beim letzten Sprung will Marc mir die Hand reichen und rutscht bei meiner Landung fast selbst über die Kante. Gerade noch kann ich ihn am Rettungsgriff seines Rucksacks packen und wieder auf den Stein ziehen.
Ein beherzter Sprung ersetzt die Furt durch den Mahtujagasj. |
Unspektakulär setzt sich der Pfad durch das kniehohe Weidengestrüpp mit aufgeweichtem Untergrund fort. Und es dauert nicht lang, bis wir wieder auf Wildspuren unterwegs sind. Diesmal enden sie allerdings mitten im Nirgendwo. Wir halten also an und ich lasse den Rucksack bei den anderen, um in nördlicher Richtung in einer geraden Linie querfeldein zu gehen, bis ich auf den Hauptpfad treffe. Das funktioniert auch, und so setzen wir unseren Weg etwas bequemer fort. Die Extratour hat Kraft und Nerven gekostet. Vor allem aber Zeit. Das Rauschen des Tjagnarisjagasj wird lauter. Von seiner direkten Durchquerung wird im Führer abgeraten.
Die Furt durch den Tjagnarisjagasj erweist sich dann auch als die anspruchvollste der ganzen Tour. In den Führern wird eine Schneebrücke unterhalb des kleinen Wasserfalls erwähnt. Fehlt diese, ist ein Umweg zur Flussmündung empfohlen. In unserem Fall ist die Brücke bereits geschmolzen, den zwei bis drei Kilometer langen Umweg wollen wir aber nicht in Kauf nehmen. Also gehen wir durch.
Ich will gleich in der geraden Verlängerung des Pfades furten, die anderen beiden suchen eine Stelle weiter oben. Etwa 60 Meter oberhalb der Stelle, wo der Pfad auf den Fluss trifft, erscheint es uns machbar. Die Fließgeschwindigkeit ist sehr hoch (siehe Video) und das Wasser milchig, deshalb tasten wir uns vorsichtig mit den Trekkingstöcken voran.
Wahrscheinlich ist es einfacher, oberhalb des Wasserfalls den Fluss zu durchqueren. Nach den Umwegen im Weidengstrüpp wollen wir aber keine weiteren machen. Und schließlich, ja: Das Furten macht uns Spaß!
Anspruchvollste Furt: Die Schneebrücke über den Tjagnarisjagasj gab es Anfang Juli 2013 nicht mehr. |
Dreimal Furten: Erst mit meinem Rucksack, dann zurück, dann noch einmal mit Danielas. |
Etwa 60 Meter oberhalb des Pfades durchqueren wir den Tjagnarisjagasj. |
Den Bielajahka durchqueren wir in einem steilen Einschnitt und setzen unseren Weg entlang des Rahpajahka zu unserer Rechten fort. Ziel ist eine schroffe, unbewachsene Felsformation an der steilen Flanke des Bielatjahkka. Sie müssen wir unterqueren, um anschließend über einen Steilanstieg in das Hochtal Snavvavagge zu gelangen.
Wieder Regen: Nach den beiden Furten halten wir weglos auf den Bielatjahkka (den großen Berg hinten im Nebel) zu und furten den Bielajahka in einer steilen Schlucht. |
Der Regen erweist sich diesmal nur als kurzer Gast und als wir 20 Minuten später wieder auf den Pfad Richtung Spökstenen treffen, sind die Wolken durchgezogen und die Sonne ergreift wieder Besitz vom Firmament. Damit wird es in der Regenkleidung ziemlich schnell warm und wenige hundert Meter vor dem Bielavarasj, einem kleinen aber deutlich sichtbaren Hügel auf der Ebene vor dem Bielatjahkka, hänge ich Regenjacke und -hose an den Rucksack.
Der Pfad ist nun deutlich schmaler und wir schließen daraus, dass das Gros der Trekker nach der Durchquerung des Tjagnarisjagasj doch Richtung Basstavagge abbiegt. Zu sehen sind nur die verblassenden Spuren der beiden Norweger. Später treffen wir am gerölligen, weidenüberwucherten Hang Richtung Snavvavagge auf einen etwas deutlicheren Steig. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir uns also wohl eher auf einer fast vergessenen Abkürzung befunden, nicht auf dem eigentlichen Weg. | |||
Der Himmel klart auf und wir sehen den Sattel, über den man ins Snavvavagge gelangt. Wo die Linie am Hang unterbrochen ist, werden wir zelten. |
Als wir den Bielavarasj schließlich erreichen, sind wir
bereits etwas erschöpft von der schon jetzt längsten Tagesetappe bislang. Das
umliegende Gelände ist aber feucht, uneben und weidenbestanden – zum Zelten
also ungeeignet. Außerdem habe ich mir in den Kopf gesetzt, noch bis ins
Snavvavagge aufzusteigen. Meine Mit-Trekker murren verhalten, sehen aber ein,
dass sich der Platz für eine Übernachtung nicht eignet. Wir verschnaufen für
eine Viertelstunde und trocknen die Regensachen in der prallen Sonne.
Pause am Bielavarasj: Gerne hätten Daniela und Marc schon hier gezeltet. |
Blick in die Zukunft: Die Unterquerung der schroffen Felswand und der Steilaufstieg ins Snavvavagge steht uns noch bevor. |
Nicht
weit hinter dem Bielavarasj geht es wieder ins Weidengestrüpp, das bald schulterhoch
ist. In steilem Auf-und-ab kraxeln wir entlang des Hangs durch eine kaum
sichtbare Schneise, deren aufgeweichter Grund vom frischen Regen je nach
Gefälle rutschig oder komplett überflutet ist. Lose Felsstücke erschweren das
Vorankommen am Hang zusätzlich, erfordern volle Konzentration. Sonne und
Windstille – an sich hervorragend – machen die Sache zusätzlich zu einem
schweißtreibenden Unterfangen.
Der Weg durch das verfilzte Weidengestrüpp Richtung Snavvavagge ist schweißtreibend, aber der Ausblick auf den Rahpajahka entschädigt. |
Die neunte Stunde unserer Etappe bricht an, und immer
unsicherer werden unsere Bewegungen im nicht enden wollenden Gestrüpp, das mit
zunehmender Höhe bis auf Kniehöhe zurückweicht. Die Felswand ist noch nicht
erreicht, ganz zu schweigen vom eigentlichen Steilaufstieg ins Snavvavagge
dahinter. Immer wieder stolpern und straucheln wir. Ohne die Stöcke wäre es mit
Sicherheit schon zu einem Sturz gekommen.
Ein langer Tag: Aus dem Ruohtesvagge über Skarja, dann zum Teil weglos bis zu der markanten Felswand sind wir gelaufen. In der Bildmitte klein der Bielavarasj, unser letzter Pausenplatz. |
Rast kurz vor dem Zeltplatz: Blick zurück Richtung Skarja. |
Inzwischen bin auch ich soweit, zu zelten, sobald sich eine Gelegenheit ergibt. Das scheint aber erst im Snavvavagge wieder möglich. Gerade als wir uns auf das scheinbar Unabwendbare eingerichtet haben und fünf Minuten gelaufen sind, öffnet sich die Schneise plötzlich zu einem weiten Gras-Plateau. Unfassbar. Wir sind immer noch auf „dem Pfad“.
Unerwartet: Ein grasiger, weidenfreier Vorsprung bewahrt uns davor, auch noch bis ins Snavvavagge aufzusteigen. |
Die Mattigkeit weicht im Nu der Euphorie. Kurz vor der Felswand ein fantastischer Zeltplatz mit einem Ausblick bis zurück nach Skarja bei Bilderbuchwetter! Heute gibt es keine Astronauten-Nahrung. Ich brate Wurstscheiben an und koche dazu Kartoffelbrei mit Parmesankäse und Zwiebeln. Es ist Danielas Geburtstagsessen.
Perfekter Ausklang: Einen schöneren Zeltplatz hätten wir uns an diesem Tag kurz vor der Felswand nicht wünschen können. |
Erkenntnisse des Tages:
1. Kleinere Umwege sollte man fest einplanen - und damit rechnen, dass sie Zeit und Energie kosten.
2. Wind hilft gegen Mücken, Höhe nicht so sehr.
3. Einmal mehr ist es vor allem der enge Zeitrahmen, der eine Etappe unnötig lang und damit anstrengend macht. Wer mit vier bis fünf Stunden Gehzeit pro Tag auskommt, macht etwas weniger Strecke, läuft aber insgesamt entspannter und am Ende einer Etappe trittsicherer.
4. Die tatsächliche Vegetation vor Ort wird von der BD 10 Karte aufgrund der recht groben Auflösung und der wechselnden Jahreszeiten naturgemäß nicht adäquat abgebildet. Gerade das Weidengestrüpp im Tal und am Hang zum Snavvavagge erschwert das Vorankommen und das Finden der Spur (zumindest Anfang Juli 2013).
5. Robuste Hosen rentieren sich im immer wiederkehrenden Weidengestrüpp (später auch in der grünen Hölle des Rapasalet).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen