Sonntag, 30.06.13: Es ist früh, aber nicht mehr dunkel, als wir aufbrechen. Gerade ist die Sonne aufgegangen und bringt die Farbe zurück in die Welt. In der Nacht hat es leicht geregnet. Die Luft ist kühl und klar. Wassertropfen liegen auf den Blättern der Büsche und immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich jede Häuserlücke nutze, um einen Blick auf die immer heller werdende Lebensspenderin zu erhaschen. Endlich ist es soweit. Nach Monaten der Vorbereitung. Ich bin ruhig wie München an diesem Sonntagmorgen. Keine Hast, keine Eile, keine Aufregung.
Schon während der letzten Telefonate mit Marc war klar, dass es eigentlich nichts mehr zu sagen gibt. Wir haben alles so oft durchgespielt, alles ist an seinem Platz. Jetzt läuft der Film ab.
Zu Fuß gehen wir zum Bus, der uns zur S-Bahn bringt. Es ist genug Zeit. Wir könnten sechs S-Bahnen verpassen und wären immer noch rechtzeitig am Flughafen. Ein bisschen unwirklich ist es schon. Fast habe ich das Gefühl, das alles schon getan zu haben und jetzt durchlebe ich es einfach noch einmal. Ich erzähle Daniela, dass wir auf "dem Pfad" sind. Auf einem vorgezeichneten Weg mit dem inneren Kompass, der mehr ein Gefühl ist, als alles andere. Ein Gefühl tiefer, untrüglicher Gewissheit, dass sich alles fügen wird und so sein soll, wie es ist. Wer Stephen Kings "Der Dunkle Turm" gelesen hat, weiß, was ich meine.
Am S-Bahnhof will ich eine Fahrkarte kaufen, habe aber nur zwei Fünfziger, die der Automat nicht will. Also gehe ich in die Bäckerei um Frühstück zu kaufen und so Geld zu wechseln. Mit einem kleinen Rucksack vor der Brust und dem großen auf dem Rücken repräsentiere ich das klassische Backpacker-Sandwich und errege die Aufmerksamkeit der Bedienung. Freudig interessiert erkundigt er sich nach dem Ziel meiner Reise, wünscht mir alles Gute und sich, dass ich doch nach meiner Rückkehr vorbeikomme, um zu berichten. Ich verspreche es ebenso gut gelaunt. Die Krapfen bezahle ich, das Wasser geht aufs Haus. Sowas meine ich mit dem Pfad.
In der S-Bahn dösen wir, am Lufthansa-Schalter ist nur wenig los, wir kommen schnell dran. Der schneidige junge Mann mit fesch gegeltem Haar kann unser Gepäck nicht von München über Stockholm bis Gällivare durchchecken. Das Kürzel der Anschluss-Airline "2N" kann er im System nicht finden. Mein Einwand, der Flug werde definitiv von NextJet angeboten, wird geflissentlich ignoriert. Immerhin müssen wir unsere Rucksäcke nicht zum Sondergepäck-Schalter schleppen. Das ist auch so eine willkürliche Ermessenssache der Airline-Beamten. Also müssen wir unser Gepäck in Stockholm erst einmal abholen und dann wieder aufgeben. Kein Problem, wir haben dort fast zwei Stunden Zeit. LASST EUCH NICHTS ERZÄHLEN. Das Gepäck lässt sich durchchecken, bleibt hartnäckig. Vom Wald-und-Wiesen-Flughafen Gällivare zurück nach München ging es auch.
Nächster Stopp: Airport-Security. "Ah, oa Woandroa!" (preuß.: Ah, ein Wanderer!), stellt der massive Mann am Durchleuchtungsapparat freundlichen Tones und fragenden Blickes fest, als die wettergegerbten, dreifach gewachsten Bergschuhe durchlaufen. Ich begreife das als Respekt-Bekundung aus berufenem Munde und stelle einmal mehr fest, auf "dem Pfad" sein zu müssen.
Am Stockholmer Flughafen ist vieles ein bisschen anders: Jede der blitzsauberen Toilettenkabinen hat einen Spiegel und ein Waschbecken, der schmächtige Security-Mann einen Ziegenbart und Rasta-Zöpfe. Dort treffen wir Marc und fliegen - natürlich mit NextJet - nach Gällivare. Free Seating. Platznummern gibt es in der Propeller-Maschine nicht.
Kurz nach der Landung in Gällivare. |
Warten auf das Taxi: Marc, Daniela, der Mann mit dem Plan (von links). |
Das Grand Hotel Lapland. Erster Gedanke: Gasexplosion. |
Blick nach links aus dem Hotelzimmer. Rechts im Hintergrund der Bahnhof von Gällivare. |
Blick nach rechts aus dem Hotelzimmer. Die Transportgut-Annahmestelle von Bussgods. Links davon die Bushaltestelle. |
Immerhin: Die Bushaltestelle ist wie erwartet direkt vor der Tür, wir können also ausschlafen. Abfahrt der Buslinie 93 nach Ritsem ist um 9 Uhr. Das haben wir allerdings vor der Abreise recherchiert. Wer kein Smartphone dabei hat, steht ratlos vor dem Fahrplankasten, dessen einziger Aushang empfiehlt, die Abfahrtszeiten online abzurufen.
Fahrpläne sind out: Wer sich vor Ort über die Busfahrzeiten informieren will, wird auf die Internetseite verwiesen. |
Modern und sauber - ein deutscher Urlaubstraum. |
Bestes Kraneburger: Das Trinkwasser der Stadt ist so gut, der Gast wird eingeladen zu probieren. |
Wegweiser zum Campingplatz. Die Google-Karte gibt es in einem früheren Beitrag. |
Die Campingplatz-Rezeption: Hier gibt es Gaskartuschen zu kaufen - auch sonntags. |
Lecker: Die Henkersmahlzeit am Vorabend. Bacon & Sour Cream Burger. |
Erkenntnisse des Tages:
1. Man kann das Gepäck von Deutschland bis Gällivare durchchecken lassen.
2. Busfahrzeiten prüfen und notieren, solange man Internet hat. Vor Ort gibt es keine Fahrpläne.
3. Gas kaufen kann man fast rund um die Uhr auf dem Campingplatz in Gällivare. Auch morgens, bevor die Geschäfte öffnen.
4. Wir sind sowas von auf "dem Pfad".
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